Der Sonne entgegen
Freitag, August 30, 2019
La Saône
Diamanten springen über die Wellen, glitzern mal hier, mal dort - lassen sich nicht greifen Die Sonne liegt vor uns, die Schaumkronen tummeln sich in unserem Kiel, es ist Sommer. Ein verlängerter Sommer, ich kann es spüren.
Der erste Halt auf unserem Weg zu einem Winter ohne Schnee war Verdun-sur-le-Doubs. Ein schönes mittelalterliches Städtchen. Der Hafen ist jedoch alles andere als schön. Wie die Ölsardinen liegen die Schiffe nebeneinander, ohne Steg dazwischen, Rumpf an Rumpf. Auf dem angrenzenden Platz spielten wir Boule unter Beobachtung von fachkundigem Publikum. Wir haben uns nicht blamiert.
Am nächsten Tag ging es weiter ein Stück den Doubs hinauf. Wir wollten gerne schwimmen, fanden aber keinen Liegeplatz und drehten so, kurz bevor der kleine Fluss nicht mehr schiffbar ist. Auch auf der Saône fanden wir keinen Platz, an dem wir hätten anlegen und schwimmen können. So versuchten wir es endlich! Das Ankern!
Wir gingen also vor Anker. (Warum auch immer das so heißt, schließlich ist der Anker am Bug und wir liegen sozusagen hinter dem Anker.... Oder hat es was mit der Wind- und Flussrichtung zu tun?) Jedenfalls probierten wir es zum ersten Mal aus und es hat wunderbar geklappt. Beim Schwimmen bin ich zum ersten Mal ganz um unser Schiff herumgeschwommen. Das war ein wunderbarer Anblick.
Chalon-sur-Saône begrüßte uns mit brüllender Hitze und strahlend weißen Schwänen. Der Liegeplatz - kostenfrei, ganz in der Nähe der Altstadt. Wunderbar. Wir genossen die kühlen engen Gassen, die belebten Plätze und betrachteten die schönen Fassaden alter Häuser. Ich fand ein paar wunderschöne Sandalen und am Abend wehte leise Musik zu uns herüber.
Die kommende Nacht wollten wir in Tournus verbringen, doch dort war alles belegt. Also ging es weiter in die Selle, wo wir in La Truchere festmachten. Hier waren wir vor Jahren mit Freunden. Seither hat sich viel getan. Wo es vormals nur einen Steg gab, sind jetzt ein Mietbootverleih, ein großes Restaurant und ziemlich viel "Halligalli". Trotzdem war es schön und am Abend sogar ruhig. Alles gut.
Jetzt schwimmen wir wieder auf der Saône - einen Ankerplatz suchend - der Sonne entgegen.
Die Saône, der Mistral und die Rhône
Viviers
In Lyon trifft die Saône auf die Rhône und hier haben wir unsere erste Begegnung mit dem Nordwind gemacht, der durch das lange Tal der beiden Flüsse von Nord nach Süd dem Mittelmeer entgegenweht. Er ist kalt und mit Windgeschwindigkeiten bis 70 Stundenkilometern zurzeit angeblich noch nicht stark. Uns ist er stark genug.
Kurz vor Lyon hat er sich von hinten angeschlichen, wobei schleichen in dem Zusammenhang das wirklich falsche Wort ist. Da wir ihn jedoch im Rücken hatten, haben wir ihn schlicht unterschätzt. Beim Anlegen im Hafenbecken von Lyon rächte sich das ganz schnell. Drei Helfer konnten nicht verhindern, dass sich das Schiff im Hafen gedreht hat. Es war nichts weiter passiert, außer, dass wir dann eben mit dem Heck angelegt hatten. Zu unserer Ehrenrettung muss gesagt sein, dass der Wind an diesem Tag zum einen besonders stark war und er sich in dem auf drei Seiten hoch umbauten Hafenbecken auch gestaut hat und sozusagen von allen Seiten gleichzeitig ankam.
Wie auch immer. Wir haben es dem Nordwind, der einige Kilometer weiter südlich dann auf den schönen Namen Mistral hört, zu verdanken, dass sich unser Aufenthalt in Lyon von drei auf fünf Tage verlängert hat - und das war gut so. Denn Lyon ist wunderschön. So schön, dass ich dafür extra einen eigenen Artikel schreibe.
Seit zwei Tagen sind wir nun nochmal unterwegs. Der Mistral bläst noch immer unverdrossen weiter. Er beginnt in der Regel um die Mittagszeit, weht dann am frühen Nachmittag so richtig los um in den frühen Abendstunden seinen Höhepunkt zu erreichen. Das führt dazu, dass wir Morgens richtig früh loslegen. Wer mich kennt weiß, dass ich nicht der geborene Frühaufsteher bin. Aber gegen den Mistral bin ich machtlos.
Das es morgens dann noch etwas kälter ist, könnt ihr auf dem Foto zweifelsfrei erkennen. Doch trotz Wind und früher Stunde kommen wir gut voran.
Während das Saône-Tal mit seinen sanften Hügeln und hübschen Orten sehr lieblich ist - zumindest solange der breite Fluss kein Hochwasser hat, bietet die Rhône ganz unterschiedliche Eindrücke. Da sind zum einen schroffe Felsen und weiter Blicke bis zu den Alpen. An vielen Stellen ist der Strom gestaut. Hier wirkt sie beinahe wie ein See und hat, gerade bei dem starken Wind auch ganz schöne Wellen. Es gibt schöne Städte am Wegesrand und natürlich auch Industrie. Kurz - die Rhône begeistert uns. Sie ist deutlich schöner als wir erwartet hatten und wir freuen uns darauf, sie im Frühjahr mit mehr Zeit wieder hochzufahren. Dann werden wir uns all die hübschen Orte am Wegesrand anschauen.
Montag, September 30, 2019 -- Die Carmague mit dem Boot
Viel zu tun und viel zu sehen
Die letzten Wochen waren abwechslungsreich und wunderschön. Meine Arbeit, die ich ja auch habe, hat mich sehr in Anspruch genommen, weshalb leider keine Zeit fand zu schreiben. Das will ich jetzt wengstens für die Carmargue nachholen.
Wie eine verträumte, verzauberte Sumpflandschaft begrüßt mich die Carmargue an einem heißen Tag. Über allem schwebt ein silbriger Dunst, der die Luft schwer macht und das Leben leicht.
Die Carmargue geizt nicht mit ihren Reizen. Ganz im Gegenteil. Gleich auf den ersten Metern begrüßt sie uns mit ihren hübschen hellen Pferdchen. Sind sie wild? Sind sie gezähmt? Eingezäunt sind sie jedenfalls nicht. Kurz darauf erkenne ich die ersten Stiere auf den nassen Wiesen. Jetzt fehlen nur noch - war das ein Flamingo? - Nein war es nicht, das war meine Fantasie, die den Reiher mal flugs in rosa Farbe getunkt hat.
Trotzdem ist die Welt hier ganz schön anders, Betonung auf ganz schön und auf anders. Das Land ist flach, die Wiesen nass und von kleinen und größeren Wasserflächen durchzogen. Meterhohes Schilf steht am Kanalrand, eine Vielzahl unterschiedlicher Vögel malt neue Formen in den Himmel und bringt, vor allem in den Abendstunden nie gehörte Klänge hervor.
Mit dem Rad fahren wir ein wenig ins Hinterland, hinein in ein kleines Dorf. Flamencomusik füllt den Dorfplatz, der von einer Kirche mit spanischem Glockenturm dominiert wird. Die Musik dröhnt aus den Boxen der Bar, deren Tische und Stühle bevölkert sind von einer recht homogenen Gruppe Dörfler zwischen 15 und 85 - schätze ich mal. Ihre Gemeinsamkeit, qualmen, trinken und viel lachen. Die Anzahl der Zähne im Mund nimmt mit zunehmendem Alter ab. Einzige Ausnahme, die beiden Dorfschönheiten. Vermutlich zwei Schwestern mit einem Altersunterschied von ca. 10 Jahren. Aber ich schweife ab.
Zwei Tage später legen wir wieder ab und fahren bis St. Gilles. Wir finden einen Platz direkt gegenüber einem kleinen Restaurant das von einer jungen Frau mit einer knapp 10 jährigen Tochter betrieben wird. Die Welt wirkt träge. Um uns herum die Boote sind teilweise ziemlich abgefuckt, es gibt Unrat und unfertige Häuser und doch hat alles seinen Charme. Irgendwie Südsee, irgendwie spanisch - irgendwie schon fast Nordafrika - alles nur nicht französisch. Selbst das martialische Kriegerdenkmal auf dem Dorfplatz fehlt. Nur in der Cave - da gibt es wie gewohnt guten Wein.
Der Eindruck verändert sich schlagartig, als wir auf Aigues-Mortes zufahren. Ja- hier sind wir in Europa. In dem alten Europa aus dem im 12. Jahrhundert. Die längste erhaltene Wehrmauer des alten Kontinents schützt die Altstadt seit Jahrhunderten. Dahinter erkennt man das Meer!
Wir haben es geschafft. Wir sind mit unserem eigenen Boot von Saarbrücken an Meer gefahren. Am nächsten Tag machen wir eine kleine Radtour an den Strand. Endlich baden im Salzwasser. Der Weg war lang.
Warten auf den Sturm
Mittwoch, Oktober 23, 2019
Castelnaudary
Manchmal gibt es die Ruhe vor dem Sturm, manchmal gibt es die Ruhe danach und manchmal - ja manchmal gibt es keinen Sturm.
Aber erst einmal der Reihe nach. Es wird Herbst, auch in Südfrankreich. Seit ungefähr einer Woche werden die Blätter bunt und die Temperaturen fallen. Also nicht zu tief - immerhin hatten wir gestern noch 22° C. im Schatten - Sonne schien keine. Allerdings lässt uns der Wind nicht mehr los. Seit der Rhône ist er ein regelmäßiger Begleiter und zwingt uns immer wieder dazu im Hafen zu bleiben.
Das letzte mal war in Argens-Minervois. Da hatte er bereits mehere Tage gewütet und unsere Nerven lagen schließlich blank. Also verbrachten wir ein paar Tage im Hafen und leckten unsere Wunden. Seither versuchen wir unser Fahrttempo dem Wind anzupassen. Um welche Zeit wir losfahren, wie lange unsere Tagesetappen sind und ob wir eine Pause einlegen, all das weiß ganz allein der Wind.
Diesmal jedoch wollten wir uns von ihm nicht in die Suppe spucken lassen. Wir kamen am Freitag in Castelnaudary an und unser Plan sah vor, dass wir am Samstag bleiben um einzukaufen und Sonntag weiterziehen, denn für Montag und Dienstag war Sturm angesagt. Aber der Ort hat uns so gut gefallen, dass wir uns am Sonntag dazu entschieden haben, die Sturmtage hier zu verbringen. In diesem heimeligen kleinen Städtchen mit Geschäften und Cafés und einer Reihe von Engländern, die hier bereits ihren Winterliegeplatz haben. Sollte der Stum doch kommen - uns ärgerte er diesmal nicht.
Nun, der Sturm kam. Er überrollte Narbonne, er fegte das Wasser im Etang de Thau auf meterhohe Wellen und der fällte einen Baum bei Villepinte - das ist ca. 10 km von uns. Wir hatten keinen Wind. Noch nicht einmal ein laues Lüftchen. Nichts.
Jetzt, am Abend des letzten Sturmtages knattern die Fahnen im Winde. Die Wolkendecke ist aufgerissen und es sieht aus, als hätten wir morgen dann endlich mal wieder einen Fahrtag vor uns. Die freien Tage habe ich übrigens gut genutzt. Ich habe gerarbeitet und endlich einen schönen Bericht über den Canal du Midi geschrieben: Guckst du hier.
Angekommen
Sonntag, November 3, 2019
Moissac
Nun, wir sind angekommen. Nicht, dass das unser Ziel gewesen wäre - aber letztendlich fühlt es sich doch genauso an, als wären wir am Ziel. Seltsam. Für alle, die jetzt nicht wirklich wissen was ich meine eine kurze Erklärung.
Wir werden den Winter über hier in Moissac verbringen, im Grunde eigentlich nur, weil die Saison für dieses Jahr vorbei ist. Die meisten Kanäle sind über Winter geschlossen, da geht es nicht mehr weiter. Moissac liegt am Canal latéral à la Garonne, zwischen Toulouse und Bordeaux.
Am 31. Oktober sind wir angekommen. Der kleine Ort war voller kleiner Hexen, fürchterlicher Monster und unzähliger Vampire. Sie rannten in die Läden, kicherten in den Straßenecken und eine kleine Hexe traute sich sogar bis an unser Boot. Sie wollte Bonbons, aber das habt ihr euch sicherlich bereits gedacht. Bei unserer Ankunft schien die Sonne und es war so warm, dass wir unser Mittagessen auf Deck im T-Shirt einnehmen konnten. Am Abend dann kam der Regen. Der hält sich seither tapfer. Heute ist Wind hinzugekommen. Wir sitzen kuschelwarm in unserem Boot, unser kleiner Lüfter heizt behaglich und ich nutze die freien Stunden um lecker zu kochen und, um unsere Webseite umzugestalten. Es wird also auch im Winter in hoffentlich etwas kürzeren Abständen neue Beiträge geben.
Im Winterlager
Moissac
Es ist erstaunlich, wie ruhig das Leben hier an uns vorbeizieht. Langsamer, als die Regentropfen, die beinahe unablässig über unsere Fenster laufen. Seit wir hier sind regnet es beinahe ohne Unterlass. Ein sehr ungewöhnliches Wetter, wie uns die Einheimischen mitteilen. Was sind wir doch für Glückskinder.
Die Einheimischen zumindest sind eingepackt, als wollten Sie den Nordpol bereisen. Wir hingegen freuen uns über tagsüber ca. 14 Grad und die Sonnenstrahlen, die immer wieder durch die Wolken blitzen und dann auch wirklich wärmen.
Im Boot ist es schnell kalt, das kann sich wohl jeder denken. Aber so langsam haben wir herausgefunden, wie wir das Boot heizen ohne es zu überhitzen oder auszukühlen. Auch die Feuchtigkeit haben wir mittlerweile ganz gut im Griff.
Moissac ist ein hübscher kleiner Ort in dem es alles gibt, was wir brauchen. Keineswegs selbstverständlich für die Region. Leider haben wir noch wenige Kontakte zu anderen Bootsfahrern, obwohl hier etliche Schiffe bewohnt sind. Aber die haben sich wohl die letzten Wochen nicht aus dem Boot getraut, weil es so oft geregnet hat. Nun denn, so bleibt uns Zeit zum Schreiben, Bilder angucken, Pläne schmieden und um unser schönes Schiff noch ein wenig schöner zu machen.
- Nein, wir sind nicht auf den Hund gekommen. Auf dem Foto ist Maurice zu sehen, der Hund unseres Nachbarn. Er liebt Karl und springt sofort an ihm hoch, wann immer er ihn sieht. Kapitäne unter sich, sozusagen.