Sterbensschönes Burgund

Sterbensschönes Land voller Träume und alten Sehnsüchten. Weite, die das Tal dir weist. Die Erde leuchtet fruchtbar. Golden, grün, glühend ernährt sie ihr Volk. Die Kühe auf den Weiden, kalkfarben. Sie verlieren sich in den sanften Wogen des Landes.
Dazwischen leuchtet das Gelb der Sonnenblumen, eingefasst in feuchtes Grün. Hier und da sind gesunde Maisfelder zu entdecken - Grün ohne gelbe Sonnen. Diese Landschaft ist so alt und so irdisch schön. Ein Paradies, das nie eines war und immer eines sein wird.
Die Menschen arm. Ärmer noch als die Lothringer, sagt die Statistik und das ist in Frankreich eine Aussage! Ich will es nicht glauben. Wie soll in dieser Fülle Armut überstehen?
Ich blicke in die runzligen Antlitze. Strahlende Augen, Lachfältchen um den Mund mit den fehlenden Zähnen. Nicht alle Gesichter sind runzlig. Die Frau in der Capitainerie ist drall, üppig und ganz schön geschäftstüchtig.
Der Kanal schiebt sich über die Höhen, windet sich wie eine Passstraße von Hügel zu Hügel. Mittelgebirgshöhe, Mittelgebirgsausblick - Talfahrt.
Seit dem 16. Jahrhundert geplant, im 17. Jahrhundert von dem großen Festungsbaumeister Vauban entworfen, wurde der Kanal schließlich im 18. Jahrhundert gebaut. Seither zaubert er eine Wasserstraße in die Hügel. Er schafft Notwendigkeiten für Brücken, wo vorher nur Weiden lagen, bringt die Welt in die Dörfer und den Geschmack der Dörfer in die Welt. Käse, Wein, Fleisch!
Heute bringt er die Touristen. Manche mit Schiff, die meisten auf dem Fahrrad.
Engländer - auf der Suche nach dem alten Burgundy. Dem Land in dem ihre Vorfahren kämpften, siegten und verloren. Sie besuchen die Abbaye de Fontenay und staunen über den Gräbern der Ritter. „Exactly like the tombs in the St. Pauls Cathedral!
Die Franzosen reiben sich die Hintern auf den ungewohnten Fahrradsatteln und statten Vercingetorix einen Besuch ab. Er hat in der Ebene von Venarey-les-Laumes seine letzte Niederlage erlebt. Anschließend stellten die Römer ihn 6 Jahre lang in ihren Arenen zur Schau. Heute besiegt er sie als Asterix auf ewig.
Deutsche Kulturbeflissene prüfen die Kathedralen mit klugem Blick. Frühgotik, Spätromanik, Richier - was weiß ich. Ich gehöre eher zu der Sorte Deutsche Geschichtsromantiker und stehe am Waschhaus von Tonnere, La Fosse-Dionne, und stelle mir das Geschwätz der Wäscherinnen vor. „Hast du schon gehört?“, „Ich sags ja nicht gern….“, „Also mir ist aufgefallen, wenn du in einem rechtwinkligen Dreieck…“
So hat jeder seine Vorstellung von diesem Land. Manche, wie Vauban, haben es nachhaltig verändert. Andere, wie ich, setzen einen Fußabdruck der nur einen Atemzug lang zu sehen ist.
Nur die Bauern hier, sie prägen die Region seit Jahrtausenden. Sie räumen die Steine weg, schleifen die Kanten und tupfen die Farbe in die Landschaft. Sie bekommen ihre Kinder und bestatten ihre Toten auf dem Hügel neben der kleinen Kirche, die keine berühmten Kunstwerke hat.

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