Ist Paris noch immer eine Reise wert?
Was für eine Frage, sollte man meinen. Immerhin ist Paris mit 18,03 Millionen Besuchern pro Jahr eine der drei meistbesuchten Städte der Welt. Trotzdem meine etwas ketzerische Überschrift. Wie komme ich darauf? Im Grunde hat alles schon vor Wochen angefangen. Noch ehe wir zu Hause überhaupt losgefahren sind. Damals hat mich eine Freundin ziemlich entgeistert angeschaut als ich ihr davon erzählte, dass wir zuallererst der französischen Hauptstadt einen Besuch abstatten wollten. „Wie, ihr fahrt noch nach Paris?“ Dort sei es schrecklich erzählte sie mir. Ihr Sohn sei kürzlich dort gewesen und habe gemeint, nie wieder würde er sich das antun. Das erinnerte mich an Venedig. Die Stadt war in den 1950iger Jahren das Traumziel für viele. Heute sind die meisten in meiner Generation der Meinung Venedig sei einfach nur überlaufen. Zu viel Tourismus, zu viel Dreck. Sollte es Paris nun ebenso ergehen? Nun, wir waren da. Im Folgenden erzähle ich Euch davon, wie die fünf Tage Paris, die ich zusammen mit Karl und eine lieben befreundeten Paar erlebte auf uns gewirkt haben.
Von Lagny-sur-Marne zum Port de l’Arsenal
Unsere gemeinsame Paris Reise begann im ca. 40 km entfernten Städtchen Lagny-sur-Marne. Wir fuhren die Marne und später die Seine abwärts und somit vom südlichen Ende in die Stadt hinein. Die Fahrt bei über 30° C. Hitze war sehr angenehm. Es ging ein kühlender Wind. Die Marne floss teilweise kanalisiert, teilweise frei, es ging durch einen Tunnel und einige wenige Schleusen. Gegen 16:00 Uhr erreichten wir die Seine und suchten voller Vorfreude den Eiffelturm, der von dieser Stelle natürlich nicht zu sehen ist. Irgendwann dann gab er einen Blick auf die oberste Spitze frei, was uns alle Vier entzückte. Dann war er wieder hinter den Hochhäusern der Stadt verschwunden. Gleichzeitig nahm der Schiffsverkehr zu. Vor allem Frachter überholten uns, während wir uns fotografierend unter den zum Teil sehr schönen alten Brücken hinwegduckten. Links und rechts war das Seine-Ufer von großen Pénichen gesäumt. Viele davon Wohn- oder Hotelschiffe. Das ein oder andere Gebäude erfreute uns, aber nach Paris sah all das natürlich noch nicht aus. Kein Wunder, waren wir doch einige Kilometer von der Île de la Cité entfernt. Als wir dann endlich die Notre Dame erblickten ging es ab zum Hafen von Arsenal, direkt an der Bastille und somit mitten im Zentrum des Geschehens. An diesem Abend ließen wir es ruhig angehen. Kochten etwas Leckeres und machten Pläne für die nächsten Tage.
Das Touristen Pflichtprogramm
Der zweite Tag begann mit freudiger Erregung und drückenden 30° C., kaum dass die Sonne vollständig über den Horizont geklettert war. Zum ersten Mal blickten wir über die Hafenmauer. Unsere Freundin war enttäuscht. Sie hatte sich die Welt jenseits der hohen, zum Glück schattenspendenden Mauer etwas mondäner vorgestellt. Der Boulevard Bourdon ist eine hübsche breite Straße, gesäumt mit den für die Stadt so typischen mehrstöckigen Häusern, die teilweise noch aus dem 19. Jhr. stammten. Das alles hätte sicherlich sehr schön ausgesehen, wenn nicht die vielen Baustellen und der mörderische Verkehr gewesen wären. Gut, kann ja mal sein, dachte ich und versuchte nur ganz flach zu atmen, denn die Mauer diente so manch einem offensichtlich dafür sein Wasser abzuschlagen und stank entsetzlich. Trotzdem schlenderten wir wohlgemut und voller Zuversicht durch Arsenal zum Platz de Vosges, der laut einem der vielen Reiseführer die wir vorher gelesen hatten zu den schönsten Plätzen der Stadt zählen soll. - Nun, schön war er.
Die nächsten Wege an diesem Tag führten zur Notre Dame, zum Louvre, über die Avenue des Champs-Élysées, zum Jardins du Trocadéro und wieder zurück. Dabei legten wir immer wieder Strecken mit der Metro zurück, was uns, dank Karls ausgezeichneter Orientierungsgabe, nicht schwer fiel. Wir wollten eigentlich den Tag am Montmartre ausklingen lassen, haben uns dann jedoch dagegen entschieden. Warum? Ganz einfach. Wir waren restlos genervt und ausgelaugt. Nicht nur, weil die Temperaturen im Laufe des Tages auf über 35°C. geklettert waren. Nein, es war mehr. Der Lärm, die unendlich vielen Menschen, die meisten wohl Touristen, die vielen Autos, der Gestank nach altem Stein, Smog, Pisse und anderem und die vielen, vielen Baustellen. Den Tiefpunkt erreichten wir auf der Champs-Élysées. Von der berühmten Prachtstraße war vor lauter Bauzäunen und Absperrungen wegen Vorbereitungen zum 14. Juli im Grunde nichts mehr zu sehen. Das Ganze gewürzt mit unvorstellbaren Preisen und unfreundlichen Bedienungen. Wir waren bedient. Schön an diesem Tag war ganz eindeutig der Blick auf den Eiffelturm, ein Kaffeebesuch am Boulevard du Palais, mit super freundlicher Bedienung und vernünftigen Preisen, und die Tapferkeit mit der wir vier uns gegenseitig versuchten den Tag zu retten. Was übrigens auch gelang. Als wir an diesem Abend unsere Quiche Lorraine aßen waren wir guter Dinge und froh darüber das „Pflichtprogramm“ hinter uns zu haben. Jetzt würden wir das richtige Paris kennenlernen, erklärten uns unsere Männer, die jeder für sich vor mehr als 40 Jahren schon einmal, teilweise sogar für Monate in der Stadt gelebt hatten.
Père Lachaise und Marais
Kurz, der Friedhof Père Lachaise ist ein Erlebnis. Er ist eine Oase der Ruhe und des Friedens in dieser hektischen Stadt. Er spendet Schatten und manchmal vielleicht sogar Trost. Ja, hier gibt es viele berühmte Gräber zu entdecken. Man kann sich aber auch einfach treiben lassen. Wir waren recht unvorbereitet. Haben den Friedhofsplan in den Händen gehalten und das ein oder andere Promi-Grab besucht. Balzac und Proust, Edith Piaf und natürlich, Jim Morrison. Der Sänger der Doors hat übrigens heute das meistbesuchte Grab des Friedhofs und das einzige, das mittlerweile abgesperrt ist. Es gibt keine Möglichkeiten mehr Jimmy eine Kippe auf die letzte Ruhestätte zu legen oder gar ein paar Grassamen auszustreuen. Der Friedhof hat uns allen sehr gut gefallen. Wenn ich noch einmal nach Paris komme, werde ich ihn wieder besuchen. Diesmal jedoch mit einer etwas besseren Vorbereitung. Denn als wir später im Internet nachschauten fanden wir dann doch noch das ein oder andere Grabmal, das wir gerne gesehen hätten.
Auch das Marais hat uns begeistert. Unter einem ruhigeren Viertel würde ich mir als Saarbrückerin zwar etwas anders vorstellen, aber die kleinen Gassen, die vielen Bars und Restaurants mit Stühlen auf der Straße, die bunte Völkervielfalt und die gute Mischung zwischen Parisern und Touristen versöhnten uns mit der Stadt und dem vorangegangenen Tag.
Treiben lassen in Paris
Nach diesem Erlebnis hatten wir endgültig damit aufgehört Pflichtprogramme zu absolvieren und uns stattdessen treiben lassen. Wir haben Stunden im Quartier Latin zugebracht, sind durch Saint Germain geschlendert und haben uns viel Zeit für das Musée d‘Orsay genommen. Ein Höhepunkt war sicherlich auch die Nachtfahrt auf der Seine. Nicht mit dem eigenen Schiff, denn rund um die Île de la Cité gibt es einen unglaublichen Verkehr von Ausflugsschiffen und Frachtern. Das wollten wir unserem Kaptitän Kall dann doch nicht zumuten.
In diesen Tagen haben wir wirklich schöne Begegnungen gehabt, viele kleine und große Dinge gesehen und erfahren. Bleibt nur noch die Antwort auf meine Eingangsfrage.
Ist Paris noch immer eine Reise wert?
Meine Antwort - ein klares Ja, aber.
Erstens. Wer kein Interesse an Geschichte, Städten oder Kunst hat, wer nur schick einkaufen gehen möchte, für den bieten sich andere Städte an. Solche in denen es weniger hektisch und trotzdem edel zugeht. Hamburg und München fallen mir da ein, natürlich auch Rom oder Barcelona. Allen anderen sei Paris noch immer ans Herz gelegt. Aber, nicht im Hochsommer und vielleicht auch erst wieder nach der Olympiade, denn dann werden die meisten der Baustellen wohl verschwunden sein.
Ich will auch nicht sagen, meidet die großen Touristenziele. Schließlich gehört die Champs-Élysées zu dieser Stadt wie der Eiffelturm und die Notre Dame. Aber sucht Euch die Plätze dazwischen, das Marais, den hübschen Kanal St. Martin und vor allem das Quartier Latin.